Professur für Mittelalterliche Geschichte (Späteres Mittelalter) Promotionsprojekt Tim Ehrmann
Beißende Polemiker zuhause, zahme Missionare inter gentes? Norm und Praxis franziskanischer und dominikanischer Mission im 13. bis 15. Jahrhundert im Spiegel religiöser (In)Toleranz (Arbeitstitel)
Das Dissertationsprojekt widmet sich der Mendikantenmission des 13. bis 15. Jahrhunderts, die franziskanische und dominikanische Missionare an die Grenzen der bekannten Welt und darüber hinaus führte. Während die Franziskaner eine direkte Begegnung mit Individuen betonten, stand für die Dominikaner die dogmatische Auseinandersetzung im Vordergrund. In der missionarischen Praxis traten schnell Schwächen der Missionskonzepte zutage. Abweichungen von normativen Vorgaben waren oft unumgänglich – bedingt u.a. durch geographische Distanzen, unzureichende institutionelle Unterstützung und die Notwendigkeit, sich an lokale Gegebenheiten anzupassen. Ausgehend von dieser Feststellung fragt die Arbeit, wie Missionspraxis und -norm aufeinander wirkten.
Die grundlegende These des Unterfangens lautet, dass (einige) in die Fremde gesandte Mendikanten ein geschärftes Bewusstsein für die Anwendbarkeit der Normkonzepte ihrer Orden entwickelten. So erkannten sie Widersprüche zwischen Missionskonzept und -realität und identifizierten Verbesserungspotenziale. Sie bemühten sich, bei ihren daheimgebliebenen Ordensbrüdern Gehör zu finden, konzeptionelle Schwachstellen anzukreiden und Anpassungen vorzuschlagen. Dazu verließen sie nicht selten vorgeprägte Pfade der interreligiösen Begegnung und boten teils überraschend verständige Perspektiven dar.
Diese Reflexionsmomente und folgende Reaktionen offenbaren lebhafte Verhandlungen rund um das rechte Vorgehen in der Heidenmission, die wechselseitig vom Individuum und dem Kollektiv, aus dem es hervorging, geprägt wurden. Es gilt, die in diesem Rahmen entwickelten Konzepte in all ihren Facetten zu durchdringen und zu zeigen, welche Impulse aus der Praxis die Normdiskurse beeinflussten – und warum. Mit einem vergleichenden Blick auf beide Orden zielt das Projekt darauf ab, die Dynamik der Aushandlungsprozesse herauszustellen, die spätmittelalterlichen Missionsstrategien ihre Gestalt verliehen. Dieser Zugang verspricht gemeinsam mit einer stärker individualisierenden Herangehensweise als bisher üblich, einen Beitrag zu einer differenzierteren Betrachtung mendikantischer Mission in global- und mentalitätsgeschichtlicher Perspektive zu leisten.