Koloniale Objekte im akademischen Raum: Die Beziehungen zwischen der East India Company und der Universität Heidelberg

Julian Stephan, Christian Seibold und Irenäus Hartmann

Im Jahr 1854 erhielt die Universität Heidelberg eine Schenkung der British East India Company (EIC). Neben zahlreichen Säugetierschädeln aus Ostindien und Java [1] schickte die Company  zahlreiche Säugetiere und 148 Arten von Vogelbälgen [2]. Die Universität dankte daraufhin dem Chief Secretary der EIC, James Cosmo Melvill, der, auf Anregung der Universität, die Schenkung ermöglicht hatte [3]. Bereits in den 1830er Jahren erweiterte die Universität Heidelberg ihre Sammlung mit zoologischen Sammlungsobjekten, die der Heidelberger Salomon Müller, im Auftrag der Niederländischen Ostindien-Kompanie aus Sumatra mitgebracht hatte [4]. Mit diesen Sammlungsobjekten wob sich die Universität in das große Netz globaler und kolonialer Strukturen hinein. 

Um ihr Wissen zu erweitern und ihre Position innerhalb der kolonialen Strukturen zu festigen, wurden von kolonialen Institutionen häufig Wissenschaftler, Ärzte und Offiziere angeheuert, um Objekte zu sammeln und Tiere zu jagen [5]. Die so erworbenen Objekte, im Falle der EIC, wurden entweder in einer eigenen Museumssammlung ausgestellt oder dazu verwendet, die bestehenden Sammlungen der kolonialen Metropole zu erweitern [6]. Mit dem Anwachsen der Sammlungen kamen auch viele Duplikate dazu, die zu einer ‚zweiten Währung‘ innerhalb des kolonialen Netzes wurden [7]. Diese Duplikate wurden entweder für Geld verkauft, mit anderen zoologischen Sammlungsstücken getauscht, um die eigene Sammlung mit Objekten zu vervollständigen, die im eigenen Land nicht vorhanden waren, oder an verschiedene europäische Institutionen verschenkt [8]. Mit ihrer Position, mit ihren Netzwerken, Handelsstützpunkten und Händlern wurde die British East India Company zu einem zentralen Akteurinnerhalb des kolonialen Sammlungsnetzwerkes [9]. Dabei war das koloniale Sammlungsnetzwerk, wie das folgende Beispiel zeigt, nicht nur von gegenseitiger Konkurrenz geprägt, sondern auch von wissenschaftlicher Kooperation zwischen kolonialen Institutionen und den europäischen Bildungseinrichtungen.

Auszug aus einem handgeschriebenen Katalog des Zoologischen Museum aus dem Neunzehnten Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert wurde der wissenschaftliche Fokus auf den Vergleich zwischen Tierarten gelegt, weswegen es notwendig war, viele verschiedene Tierarten in einer Sammlung zu haben. Da es zu dieser Zeit noch keine deutschen Kolonien, geschweige denn einen deutschen Staat gab, der Kolonien hätte aufbauen können, schufen Universitäten im deutschsprachigen Raum vermehrt institutionelle Verbindungen mit den kolonialen Strukturen, wie der EIC. Am 30. Juli 1854 schrieb Professor Bronn, der Leiter des zoologischen Museums, an den Großherzoglichen Engeren Akademischen Senat, dass sich der Board of Directors der EIC dazu bereit erklärt hatte, eine Sammlung von 57 Schädeln größerer und kleinerer Säugetiere, im Wert von 800-1000 Gulden an das zoologische Museum zu schenken [10]. Bronn informierte auch den Universitätssenat darüber, dass die EIC zusätzlich noch 32 Arten von Säugetierbälgen und 148 Arten von Vogelbälgen gesendet hatte [11], in dieser Sendung befanden sich beispielsweise ein indischer Marabu [12] oder ein Gibbon [13]. Er forderte den Senat auf, im Namen der Universität ein Dankesschreiben zu verfassen, in dem bekräftigt werden sollte, dass die EIC der Universität dabei geholfen habe, die Sammlung zu bereichern, die bereits durch die Expedition Salomon Müllers in den niederländischen Ost-Indischen Inseln erweitert worden war [14]. Die Sammlung sollte sowohl den Forschenden als auch den Studierenden zugänglich gemacht werden. In ihrem auf Englisch verfassten Dankschreiben, bedankte sich der Universitätssenat für die „liberale Spende“ bei dem Board of Directors der EIC und dankte vor allem dem Chief Secretary James Cosmo Melvill für die Schwierigkeiten, die er in dieser Angelegenheit auf sich genommen hatte, um deutlich zu machen, dass man die institutionelle Beziehung weiter aufrechterhalten und vertiefen will [15]. Als Chief Secretary der EIC, befand sich James Cosmo Melvill ab 1836 in der einflussreichsten Position der Company und hatte somit die Pflicht die Interessen der EIC zu verfolgen und hatte Einfluss auf die Austauschpraktiken der Company, sowie die institutionellen Beziehungen zwischen der EIC und anderen Institutionen [16].

Wissenschaftliche Objekte waren und sind damit nicht bloß Objekte innerhalb der akademischen Gesellschaft, sondern sie sind vor allem ein Teil des großen imperial-kolonialistischen Netzes, das durch Rivalitäten zu Prestige, Wissen und Macht innerhalb der Kolonien und innerhalb Europas führte. In diesem Kontext kam es zwischen kolonialen Institutionen und Bildungseinrichtungen, aber auch zur Kooperation untereinander. Die East India Company konnte, in ihrer Position, ein Angebot aus verschiedenen indischen und malaysischen Sammlungsobjekten stellen, die dann an Bildungseinrichtungen gesendet werden konnten, sodass diese sowohl im Unterricht als auch in der Wissenschaft zur Verwendung kommen konnten. Die damals von der EIC geschenkten Objekte in der heutigen Sammlung wiederzufinden, stellt jedoch eine gewisse Herausforderung dar. Einige der Sammlungsobjekte, welche von der EIC gespendet worden waren, sind vermutlich durch strukturelle Veränderungen der zoologischen Sammlung verloren gegangen. Durch institutionelle Veränderungen in den letzten 150 Jahren kamen zudem wertvolle Informationen zu den Objekten und deren Provenienz abhanden. Dieses Thema benötigt noch weitere Forschung, um eindeutig festzustellen, wo sich die Objekte befinden und welche Beziehungen die Universität mit Organisationen wie der EIC einging und eventuell aufrecht erhielt.

Brief der Universitätsleitung an James Cosimo Melvill als Dank für die gesendeten Sammlungen aus den Beständen der EIC

[1] Brief von Heinrich Bronn an den Großherzoglichen Engeren Akademischen Senat vom 30. Juli 1854, Universitätsarchiv Heidelberg (UAH), RA 5344. 

[2] Brief von Heinrich Bronn an den Großherzoglichen Engeren Akademischen Senat vom 20. Dezember 1854, UAH, RA 5344. 

[3] Brief des Senats der Universität Heidelberg an James Cosmo Melvill vom Dezember 1854, UAH, RA 5344. 

[4] Catalog des zoologischen Museums in Heidelberg, Universitätsbibliothek Heideberg (UBH), Heid. HS. 726, S. 3. 

[5] Petts, Rachel: The East India Company and Natural History Collecting [2021], online: NatSCA, https://natsca.blog/2021/04/22/the-east-india-company-and-natural-histo… [18.07.2025]. 

[6] Coote, Anne et.al.: When Commerce, Science, and Leisure Collaborated. The Nineteenth-Century Global Trade Boom in Natural History Collections, in: Journal of Global History 12/3 (2017), S. 319–339. 

[7] Petts: The East India Company. 

[8] Coote et.al.: When Commerce, Science, and Leisure Collaborated. 

[9] Hedinger, Daniel/Heé, Nadine: Transimperial History. Connectivity, Cooperation and Competition, in: Journal of Modern European History 16/4 (2018), S. 429-452. 

[10] Brief von Heinrich Bronn an den Großherzoglichen Engeren Akademischen Senat vom 30. Juli 1854, UAH, RA 5344. 

[11] Brief von Heinrich Bronn an den Großherzoglichen Engeren Akademischen Senat vom 20. Dezember 1854, UAH, RA 5344. 

[12] Zettelkatalog zu den Vögeln in der Zoologischen Sammlung, Centre for Organismal Studies, Universität Heidelberg. 

[13] Catalog des zoologischen Museums in Heidelberg, UBH, Heid. HS. 726, S. 3. 

[14] Brief von Heinrich Bronn an den Großherzoglichen Engeren Akademischen Senat vom 20. Dezember 1854, UAH, RA 5344. 

[15] Brief des Senats der Universität Heidelberg an James Cosmo Melvill vom 20. Dezember 1854, UAH, RA 5344. 

[16] Finn, Margot/Smith, Kate: The East India Company at Home. 1757–1857, online: UCLPress, https://ucldigitalpress.co.uk/Book/Article/39/64/2909/ [18.07.2025]. 

Veröffentlicht am 04.08.2025.