Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Johannes Bosch
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Johannes Bosch
Historisches Seminar der Universität Heidelberg
Grabengasse 3-5, Raum 226
69117 Heidelberg
Dissertationsprojekt
Natürliche Körper. Die body politics der europäischen Lebensreform (1890-1940)
In der jüngeren Geschichte gab es eine Reihe von Bewegungen, die Politik im Namen der Natur betrieben und sich damit als unpolitisch ausgaben. Als Beispiel für eine solche naturalisierte Politik untersucht die Arbeit die europäische Lebensreformbewegung des frühen 20. Jahrhunderts. Naturheilkunde, Vegetarismus und Freikörperkultur waren Hauptströmungen dieser Bewegung, die den modernen Menschen als krank wahrnahm und ihn durch eine „Rückkehr zur Natur“ heilen wollte. Ihre Reform zielte auf eine alternative Gestaltung des individuellen Körpers, der mittels alternativmedizinischer Körpertechniken „naturgemäß“ geformt werden sollte. Die Arbeit untersucht die Genese und Funktionsweise dieses „natürlichen Körpers“ der Lebensreform aus einer wissenshistorischen Perspektive und analysiert dabei, wie die Bewegung im Medium des Körperwissens Politik betrieb. Im Streit um die richtige Krankheitsursache wurde nicht zuletzt die Handlungsfähigkeit des Subjekts in der Moderne verhandelt. Auch die Frage, ob der Mensch ein strenges oder ein genussorientiertes Leben führen solle, ob das Individuum oder ein Kollektiv wie die Klasse oder die „Rasse“ der wichtigste historische Akteur sei oder wie die Menschen in einer zukünftigen, naturgemäßen Gesellschaft zueinander stehen sollten, wurde als Streit um die „Natur des Menschen“ verhandelt und damit der politischen Aushandlung entzogen. Die Analyse der im Wissen mitverhandelten politischen Konflikte ermöglicht eine historische Einordnung der Lebensreform und ihres alternativen Körpers. Damit wird der Bewegung die vermeintliche Irrationalität genommen, die sie in der öffentlichen und in Teilen der wissenschaftlichen Wahrnehmung kennzeichnet. Zugleich wird die Brisanz der Auseinandersetzungen um das richtige Körper- und Naturwissen plausibel.
Zur Person
seit 2020
Promotion im Rahmen des deutsch-französischen Doktorandenprogramms der Universität Heidelberg und der EHESS Paris
2017-2021
Studium der Romanistik (Französisch) mit Abschluss Staatsexamen
2010-2019
Studium der Geschichte und Geographie (Abschluss Staatsexamen)
2018
Studium an der École normale supérieure (ENS) Paris
2016/2017
Studium an der Université de Bourgogne Dijon
Lehrveranstaltungen
Sommersemester 2024
Exkursion „Die hässlichste Stadt Deutschlands? Sozialgeschichtliche Exkursion nach Ludwigshafen“
Wintersemester 2023/2024
Exkursion nach Dresden, „Medizinkritik und Lebensreform, gestern und heute“ (mit Christian Sammer)
Sommersemester 2023
Übung "Journal Club" (mit Max Gawlich)
Wintersemester 2022/23
Übung "Der Kampf der Götter. Max Webers "Zwischenbetrachtung und die Diagnose der Moderne"
Wintersemester 2021/22
Übung "Auf der Suche nach der verlorenen Wahrheit. Begriff und Problem der Wahrheit in der Geschichtswissenschaft zwischen Historismus und Gegenwart." (mit Max Gawlich)
Wintersemester 2020/21
Übung: „Sozialgeschichte der Ideen“ (mit Jakob Fesenbeckh)
Publikationen
Tabelle
Herausgeberschaften |
Artikel |
Jenseits des methodologische Nationalismus. Die Lebensreform als europäisches Phänomen, in: Stefan Rindlisbacher/Eva Locher/Damir Skenderovic (Hrsg.): Transnational, kolonial, aktuell. Neue Perspektiven auf die Geschichte der Lebensreform, Basel 2025, S. 59-74. |
Der andere Weber in der „Deutschen Geschichte“. Thomas Nipperdeys Rezeption Max Webers als Heuristik des Konflikts, in: Historische Zeitschrift 318/3 (2024), S. 594-624. |
"Zurück zur Natur". Bürgerliche Reformbewegungen in Deutschland und Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg am Beispiel des Vegetarismus, in: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 48 (2021), S. 169-192. |
Rezensionen auf Hsozkult und in der Francia-Recensio. |
Stipendien
2025
Anschubfinanzierung Postdoc der Heidelberger Graduiertenakademie
2021 - 2024
Promotionsstipendium der Hans-Böckler-Stiftung
2020
Mobilitätsstipendium des Deutschen Historischen Instituts (DHI) Paris
2019
Forschungsstartstipendium des DHI Paris
2018
Mobilitätsstipendium des DHI Paris
2024-2025
Abschlussstipendium der Landesgraduiertenförderung