Zwischen Wissenschaft und Selbstdarstellung. Ein Blick auf die Rolle des Zoologischen Instituts der Universität Heidelberg bei der Weltausstellung 1904

Lea Bergold, Ricarda Roggenbuck, Michele Scichilone

„Es ist bedauernswert, dass es für Sprache unmöglich ist, jemals Gefühle adäquat zu beschreiben. Und hier auf der Weltausstellung […] schien es mir beinahe unglaublich, dass die Schaulustigen diese unvergesslich schönen Szenen ohne die tiefsten Gefühle betrachten.“ [1]

Als der Jurist Edward Schneiderhahn im Herbst 1904 durch das Gelände der Weltausstellung in St. Louis lief, war er beeindruckt von den majestätischen Prachtbauten, Wasserfontänen und Gärten, die für die Ausstellung errichtet wurden. Doch was für ihn ein emotionaler Höhepunkt war, stellte für andere eine strategische Bühne dar – so auch für das Zoologische Institut der Universität Heidelberg. Anlass der Weltausstellung in St. Louis, die offiziell Louisiana Purchase Exposition hieß, war das 100-jährige Jubiläum des sogenannten Louisiana Purchase – jener historische Vertrag aus dem Jahr 1803, in dem Frankreich ein umfangreiches Territorium an die USA verkaufte und damit den Grundstein für die westliche Expansion der Vereinigten Staaten legte. Während der Laufzeit der Ausstellung zwischen April und Dezember 1904 strömten schätzungsweise 20 Mio. Menschen nach St. Louis, um sich die Pavillons der einzelnen Vertreterstaaten anzuschauen [2]. Im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert galten Weltausstellungen als Orte der Zurschaustellung technologischer Innovationen und kultureller Errungenschaften, durchaus mit Wettlaufcharakter. Dazu muss gesagt sein, dass „kulturelle Errungenschaften“ in diesem Kontext meist Ausdruck eines kulturellen, oft rassistisch begründeten, Überlegenheitsglaubens waren. So stellte die Ausstellung in St. Louis nicht nur technologische Fortschritte und wirtschaftliche Stärke zur Schau, sondern inszenierte die USA – und insbesondere das weiße, angelsächsische Amerika – als Kulminationspunkt von Zivilisation und Fortschritt unter anderem durch die Zurschaustellung von Menschen in sogenannten Menschenzoos [3]. Die historische Rückschau auf die Weltausstellung in St. Louis offenbart somit nicht nur den technologischen Fortschritt ihrer Zeit, sondern auch die ideologischen Werte, die parallel existierten.

Das Bild zeigt den Pavillon des Deutschen Reiches auf der Weltausstellung in St. Louis im Jahr 1904

Der offizielle Katalog der Weltausstellung belegt die Teilnahme des zoologischen Instituts der Universität Heidelberg. Anhand eines Briefwechsels zwischen dem badischen Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts und der Universität lässt sich zudem rekonstruieren, dass die Ausstellung nicht nur wissenschaftliches Engagement zum Ausdruck bringen, sondern ebenfalls eine politisch brisante Ebene haben konnte. Ein Beispiel hierfür ist das deutsche Haus. Dieses wurde gemäß dem Wunsch von Kaiser Wilhelm II weitgehend an dem Charlottenburger Schloss orientiert. Das Deutsche Reich sicherte sich dafür einen Bauplatz in erhöhter Lage an der Spitze des Staatenplateaus [4]. Diese besondere Lage dürfte für das Deutsche Reich von großer politischer Bedeutung gewesen sein.

Plakat zu den Olympischen Spielen und der Weltausstellung in St. Louis im Jahr 1904

Am 9. Januar 1904 bat der engere Senat der Universität Heidelberg in einem formellen Gesuch um eine Bezuschussung in Höhe von 200 Mark zur Deckung der anfallenden Kosten für die Universität. Die Antwort des Ministeriums kam bereits am 18. Januar: Der Zuschuss wurde bewilligt [5]. Allerdings mit einer Anmerkung, dass es „bei dem Reichskanzler einen sonderbaren Eindruck“ hinterlassen würde, wenn „einzelne Institutionsdirektionen nun aus eigenem Antrieb eine Teilnahme beschließen“ würden, nachdem diese zuvor eine Beteiligung gegenüber dem Ministerium abgelehnt hätten, was auch so mit dem Reichskanzler kommuniziert worden war. Die Sammlung der Dokumente beinhaltet ebenfalls eine Notiz aus dem engeren Senat der Universität, in der auf den ministeriellen Kommentar hingewiesen wird, dass eine nun doch erfolgende Teilnahme beim Reichskanzler einen irritierenden Eindruck machen könnte [6]. Leider sind keine weiteren Dokumente über das Vorgehen der Universitätsverwaltung in der Sammlung vorhanden. Damit können die Gründe für den anfänglichen „Rückzieher“ und die tatsächliche Motivation für die spätere Beteiligung nicht im Detail rekonstruiert werden.

Das Bild zeigt einen Brief des Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts an den engeren Senat der Universität Heidelberg vom 18. Januar 1904 bezüglich der Weltausstellung in St. Louis

Dahingegen ist bekannt, dass sich das Zoologische Institut der Universität Heidelberg mit embryonalen Präparaten, aufbereitet in Spiritus, an der Weltausstellung in St. Louis beteiligte. Hierbei ist anzumerken, dass das universitäre Feld der Zoologie zur Zeit des Deutschen Reichs vermutlich noch weiter gefasst war als zur heutigen Zeit. Die Heidelberger Ausstellung grenzte sich zudem noch innerhalb der zoologischen Ausstellung durch die Anordnung ihrer Präparate ab. Während die meisten Ausstellungen dem sogenannten „systematischen Prinzip“ folgten, gruppierten Heidelberg und Tübingen ihre anatomischen Präparate nach eigenen Vorstellungen [6]. Doch insgesamt wirft dies ein Schlaglicht auf die enge Verflechtung von Wissenschaft, nationaler Repräsentation und institutionellen Ambitionen im Deutschen Kaiserreich. Was auf den ersten Blick wie ein rein akademischer Beitrag erscheint – eine Sammlung anatomischer Präparate –, erweist sich bei näherem Hinsehen als Teil eines heiklen politischen Spannungsfeldes. Der Briefwechsel zwischen dem Badischen Ministerium und der Universität dokumentiert nicht nur finanzielle Aspekte, sondern macht deutlich, dass wissenschaftliche Institutionen keineswegs autonom agierten. Die Warnung, eine eigenmächtige Beteiligung könne beim Reichskanzler einen „sonderbaren Eindruck“ hinterlassen, verweist auf die Erwartung, dass auch akademische Einrichtungen sich der offiziellen außenpolitischen Linie anzupassen hatten. Gleichzeitig verfolgten die akademischen Institutionen offenbar ihre eigenen Ziele.

Einerseits nutzten Universitäten wie Heidelberg die internationalen Bühnen, um wissenschaftliche Netzwerke und internationale Kontakte zu erweitern und damit den Diskurs und Austausch zwischen den Wissenschaftsinstitutionen zu fördern. Damit wurden Möglichkeiten geboten, beispielsweise neue Objekte für Sammlungen zu erwerben oder bestehende Sammlungen zu erweitern. Andererseits spielte auch die Präsentation eigener Forschungsergebnisse und die Durchsetzung eigener wissenschaftlicher Auffassungen eine Rolle [8]. So eröffnet die Auseinandersetzung mit den Sammlungen Einblicke in die Verwobenheit von wissenschaftlichen Ambitionen, Politik und Repräsentation im frühen 20. Jahrhundert. Quellen aus universitären Sammlungen sind somit nicht nur wissenschaftliche Ressourcen, sondern spiegeln in unserem Beispiel auch historische Selbstverortung und die Repräsentation akademischer Einrichtungen wider.

[1] Schneiderhahn, V. P.: Through the Eyes of a Fairgoer. The 1904 World's Fair Memoir of Edward V. P. Schneiderhahn, in: Gateway Heritage Magazine 13/1 (1992).

[2] Bureau International des Expositions. “Expo 1904 St. Louis.” BIE‑Paris, bie‑paris.org, Accessed 1 Aug. 2025, .

[3] Rosenberg, Emily S.: Transnationale Strömungen in einer Welt, die zusammenrückt, in: 1870-1945. Weltmärkte und Weltkriege, hrsg. v. Emily S. Rosenberg (Geschichte der Welt, Bd. 5) München 2012, S. 815-998, hier: S. 902.

[4] Fuchs, Eckhardt: Das Deutsche Reich auf den Weltausstellungen vor dem Ersten Weltkrieg, in: Comparativ 9/5-6 (1999), S. 61-89, hier: S. 83.

[5] Schreiben des Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts an den engeren Senat der Universität Heidelberg vom 18. Januar 1904, Universitätsarchiv Heidelberg (UAH), RA 6578.

[6] Dokument des engeren Senats der Universität Heidelberg vom 23. Januar 1904, UAH, RA 6578.

[7] Reichskommissar (Hg.): Weltausstellung in St. Louis 194. Amtlicher Katalog der Ausstellung des Deutschen Reiches, Berlin 1904, S. 132.

[8] Fuchs, Eckhardt: Wissenschaft, Kongreßbewegung und Weltausstellungen. Zu den Anfängen der Wissenschaftsinternationale vor dem Ersten Weltkrieg, in: Comparativ 9/5-6 (1996), S.156-177.

veröffentlicht am 18.08.2025