Post-Doc-Projekte
Kriegskindheiten im besetzten Belarus (1941-1944): Erfahrungen, Folgen, Erinnerungen
Dr. Yulia von Saal
Das Habilitationsprojekt von Yuliya von Saal erforscht akteursbezogen sowjetische Kriegskindheiten zur Zeit der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs (1941–1944) auf dem Gebiet des heutigen Belarus. Primär geht es darum, die Politik und die Praxis des NS-Regimes gegenüber der minderjährigen Zivilbevölkerung während der Besatzung herauszuarbeiten und diese im Verhältnis zu den subjektiven Erfahrungen von Kindern zu analysieren. Ein zentrales Anliegen der Studie besteht darin, Kinder nicht als passive Objekte deutscher bzw. sowjetischer Politik, sondern als handelnde Subjekte unter den jeweils unterschiedlichen politischen Bedingungen und Anforderungen zu verorten und ihre spezifischen Erfahrungen im Krieg zu untersuchen. Die Verwundbarkeit eines Kindes, so die Erkenntnis, muss nicht zwangsläufig mit seiner passiven Opferrolle einhergehen. Kinder werden daher als soziale Akteure mit eigenen Fähigkeiten, Ressourcen und Bewältigungspotenzialen verstanden, die an ihrer Entwicklung, an ihrer „Kindheit“ und an der Herstellung der generationalen Ordnung mitwirken.
Das Projekt verfolgt außerdem das Ziel, die Kriegskindheiten über das Kriegsende hinaus mitsamt deren Folgen zu historisieren. Entstehen soll eine Erfahrungsgeschichte sowjetischer Kriegskindheiten, die nicht nur einen weiteren wichtigen Beitrag zur Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust im besetzten Osteuropa leistet, sondern darüber hinaus Erkenntnisse über bisher kaum wahrgenommene Verbrechensorte (etwa Kinderheime oder kinderspezifische Lager) befördert und neue Einblicke in den Alltag einer äußerst heterogenen Besatzungsgesellschaft freigibt.
Gemeinschaftsbauten als "gemeinsames Bauerbe". Siebenbürgisch-sächsische Schul-, Pfarr- und Gemeindehäuser um 1900 und nach der Auswanderung
Dr. Timo Hagen
Abgeschlossen 2017
(gefördert von der Bundesbeauftragten für Kultur- und Medien, Laufzeit 8/2016–11/2017)
Das Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der gemeinschaftsstiftenden Rolle von Architektur in den heterogenen Milieus des östlichen Europa im langen 19. Jahrhundert und untersucht den Status und die Wahrnehmung solcher Bauten nach den Bevölkerungsverschiebungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, welche die Auflösung der Gemeinschaft, für die die Bauwerke ursprünglich bestimmt waren, bewirkten.
Untersuchungsgegenstand sind Schul-, Pfarr- und Gemeindehäuser, die von evangelischen Stadt- und Landgemeinden der deutschsprachigen Sachsen in Siebenbürgen errichtet wurden. Infolge von Enteignungen im kommunistischen Rumänien und der Auswanderung eines Großteils der Sachsen in die BRD nach 1989 wurden viele dieser Bauten neuen Bestimmungen zugeführt oder sind durch Leerstand und Verfall bedroht.
Im Rahmen des Projekts soll die gegenwärtige Nutzung solcher Bauten durch die örtliche, heute überwiegend aus meist orthodoxen Rumänen und Roma gebildete Bevölkerung ebenso in den Blick genommen werden, wie der Umgang der staatlichen rumänischen Denkmalpflege mit diesem architektonischen Erbe. Ein besonderes Augenmerk gilt Kulturguterfassungskampagnen, die in den 1990er Jahren auf sächsische Initiative und mit bundesdeutscher Finanzierung von Experten aus Deutschland und Rumänien in den ehemals sächsischen Siedlungen durchgeführt wurden, ihren Intentionen und Auswirkungen.
Die Freilegung der ursprünglichen gesellschaftlichen Bedeutungsdimensionen der (ehemaligen) Gemeinschaftsbauten ist notwendige wissenschaftliche Grundlage für einen erneuten Dialog über die Erhaltung eines schrumpfenden Baubestands, der das Potential besitzt, zum „gemeinsamen Bauerbe“ der unterschiedlichen Akteure und Bestandteil ihrer jeweiligen Erinnerungskultur zu werden.